Ob Corona oder Allergie – Worte beeinflussen die Gesundheit
Die Macht der Worte in der Corona-Krise erleben wir seit Monaten. Zu Beginn der Pandemie ging es um „ein tödliches Virus, Notfallpläne, Lockdown, Ausgangssperre, Durchseuchung, soziale Isolation“. Wochenlang gab es täglich „Horrornachrichten“. Doch was passiert eigentlich, wenn wir solche Schlagzeilen lesen? Meistens lässt uns das nicht kalt. Wir bekommen Angst, denn diese Wörter signalisieren uns vor allem eins: es wird alles ganz schlimm, oder es ist schon furchtbar. Wir fühlen uns ohnmächtig, hilflos.
Angst kann Selbstheilungskräfte schwächen
Hilflosigkeit oder auch Angst lähmen uns, haben einen Einfluss auf unser Immunsystem. Negative Gedanken können unsere Gesundheit schwächen. Ein emotionaler Ausnahmezustand kann sogar die Wahrnehmung verändern, Ereignisse werden plötzlich nicht mehr sachlich interpretiert. Die Macht der Worte wird oft unterschätzt. Und das gilt nicht nur für die täglichen Nachrichten oder etwas Besonderes wie eine Pandemie. Gerade bei chronischen Erkrankungen wie Allergien aber auch anderen Krankheiten können Worte Schaden anrichten oder aber das Gesundwerden unterstützen.
Positive Rückmeldung ist für Patienten wichtig
Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Wie die meisten allergischen Patienten hatte auch meine Tochter regelmäßig Termine bei Ärzten: vom Kinderarzt zum Hautarzt, zum HNO-Arzt, zum Lungenfacharzt. Einmal flammte die Neurodermitis wieder auf, dann gab es eine allergische Reaktion auf ein Lebensmittel, dann ging es „nur“ zur Kontrolluntersuchung. Wir suchten Rat und Hilfe und manchmal ist man auch einfach hilflos oder niedergeschlagen. Und da hat sich gezeigt, wie wichtig auch Unterstützung und positive Rückmeldung von Ärzten ist.
Ärztliche Gespräche und die Macht der Worte
Einmal hatte meine Tochter eine kleine Hautinfektion, typisch bei Neurodermitis. Es war Wochenende und wir mussten damit in die Notfallambulanz. Ein sehr freundlicher, aber offenbar eher unerfahrener Kinderarzt untersuchte sie. Er war sich aber unsicher, wie das zu behandeln war und holte Rat bei einer Kollegin. Die beiden untersuchten mehrfach unsere Tochter und verschrieben dann eine spezielle Salbe. Zum Schluß schaute er nochmal genau meine Tocher an. Dann meinte er, er habe ja schon viele Kinder mit Neurodermitis gesehen, aber sie sei wirklich schwer betroffen. Was soll man dazu sagen? Das ist frustrierend für ein Kind.
Einmal Allergiker, immer Allergiker – oder etwa nicht?
Ein anderes Mal waren wir bei einem Arzt und sprachen über die Aussichten, dass die Allergie verschwinden könnte. Darauf meinte der Arzt nur lapidar: „Einmal Allergiker, immer Allergiker!“ Macht so ein Satz Hoffnung? Nein. Weiß der Arzt, ob die Allergie bleibt? Nein. Weiß der Arzt ob die Allergie verschwindet? Auch nein. Es ist reine Statistik und kein Arzt kann eine verläßliche Prognose machen. Aber ein Arzt kann zumindest ein bisschen Hoffnung machen, etwas Nettes sagen, einem Kind Mut machen, den jungen Patienten mit einem guten Gefühl verabschieden.
Nicht negativ sondern positiv formulieren
Statt „Das wird jetzt wehtun“ kann er sagen „Ein kleiner Pieks, aber das geht schnell vorbei“. Statt „Du wirst nie wieder Nüsse essen können“ kann er sagen, „Guck mal, was Du alles außer Nüssen essen kannst“. Statt „die Neurodermitis wird nie ganz weggehen“ kann er sagen „Deine Haut hat sich schon gebessert“. Es ist ein Unterschied, ob man mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit aus der Praxis geht oder mit einem positiven Gefühl, einem Gefühl, das wird schon wieder. Und genau dieses positive Gefühl kurbelt auch die Selbstheilungskräfte an. Die meisten Ärzte waren zum Glück sehr unterstützend. Sie nahmen eine Situation auch mal mit Humor, bauten meine Tochter auf, machten ihr Mut. Manchmal verließen wir die Praxis dann mit einer Leichtigkeit, fast schon fröhlich.
Die Macht der Worte (nicht nur in der Corona-Krise) überdenken
Deshalb ist es mir so wichtig, dass jeder über seine Wortwahl nachdenkt. Ärzte spielen da eine wichtige Rolle für ihre Patienten. Und das ist nicht immer leicht. Manchmal ist die Zeit knapp und manchmal muss man eine ernste Diagnose besprechen. Das sind keine einfachen Gespräche, dennoch sollten Ärzte immer auch das Positive im Blick halten und nicht schwarzmalen. Aber auch Patienten können aktiv etwas tun. Sie können einem Arzt Rückmeldung geben. Sie können ihm sagen, dass ein Kommentar sie verletzt oder verunsichert. Sie können nachfragen, was nach Meinung des Arztes schon gut läuft.
Und auch Journalisten haben eine Verantwortung in der dieser Zeit. Welche Worte wähle ich? Was bewirke ich mit diesen Worten? Zumindest lohnt es sich, darüber einmal nachzudenken, über die Macht der Worte in der Corona-Krise.
Und am Ende wird (meistens) alles gut
Übrigens: „Einmal Allergiker, immer Allergiker“ – diesen Spruch habe ich nie vergessen. Allerdings geht es meiner Tochter heute so gut wie nie, die Neurodermitis ist fast verschwunden, die Lebensmittelallergien sind viel besser geworden, Heuschnupfen ist kein Problem mehr. Für uns heißt es eher: Einmal Allergiker, kaum noch Allergiker“. Eine durch und durch positive Entwicklung. Wer hätte das gedacht? 🙂
Die Zeitungen verdienen Geld mit Schlagzeilen. Und diese sind negativ einfach viel erfolgreicher, als realistische oder gar positive Anzeigen.
Seit Beginn der Krise merkt man das mich viel deutlicher, als sonst.
Vielen Dank für deinen Beitrag. Starke und positive Worte sind in dieser Zeit viel wichtiger und häufig auch reeller als so manche Panik Schlagzeile.
Im Rettungsdienst haben wir gelernt ehrlich, also realistisch, aber möglichst positiv oder neutral zu formulieren. Patienten und Angehörigen kann man damit unterstützen.
Hallo Micha, vielen Dank für Deine Nachricht und toll, dass ihr auch im Rettungsdienst klare Regeln habt, wie man am besten kommuniziert. Ich bin sicher, dass ihr damit Patienten und Angehörige sehr helft. Sie sind euch bestimmt dankbar.